Worum es geht

Im weltweiten Netz wird derzeit an vielen Stellen über das Thema Codecs für HTML5-Vodeos diskutiert. Einige Leute unterstellen Mozilla, stur* oder blöd** zu sein. Andere meinen, Google würde mit der Forcierung von H.264 die Freiheit des Internets mit Lizenzen und Patenten untergraben.

* stur, weil sich Mozilla weigere, den angeblich besseren Codec zu implementieren
** blöd, weil Mozilla doch bitteschön die Codecs des Betriebssystems nutzen solle

Mozilla, Opera und Wikimedia unterstützen Ogg/Theora und wollen das Internet und dessen Inhalte lizenz- und patentfrei halten. Auch um den Preis, dass die Nutzer von Opera und Gecko-Browsern die HTML5-Videoplattform von YouTube in ihrer derzeitigen Form nicht nutzen können. (Übrigens: Auch Chromium-Nutzer sind dort ausgeschlossen!) Das ruft natürlich Unmut hervor und führt dazu, dass viel FUD verbreitet wird.

UnFUDing

Mozilla Firefox 3.6 verwendet den verbesserten Theora-Codec in der Version 1.1, weshalb das Argument, H.264 sei so viel besser für Nutzer und Anbieter, nicht mehr gelten kann. Ein Vergleich von YouTubes H.264 und Ogg/Theora zeigt, dass der Normalverbraucher objektiv gesehen kein Format bevorzugen kann nur allein wegen der Qualität.

Würde Google nur ein Jahr Entwicklung und Geld in Ogg/Theora investieren, wie es in der Vergangenheit Wikimedia und Mozilla bei Theora 1.1 getan haben, wären wahrscheinlich auch die letzten Reste Zweifels ausgeräumt.

Vielleicht will aber Google die aktuelle Verwirrung nur nutzen, um einen eigenen Codec zu präsentieren, der die zerstrittenen Lager gleichermaßen zufrieden stellt. Nach dem Motto: Wenn die einen H.264 nicht wollen und die anderen Ogg/Theora nicht, bieten wir (Google) euch den goldenen Gral für alle – sofern zu 100% keine Patente vermutet/verwendet und keinerlei Lizenzgebühren verlangt werden.

Und was ist mit Nokias Argument gegen Theora, dass noch unbekannte „U-Boot-Patente“ auftauchen könnten, die alle Nutzer und Anbieter aus heiterem Himmel mit Geldforderungen überschütten würden? Irgendwie erinnert mich das an Microsofts nie enden wollende Behauptung, dass der Linux-Kernel mehrere Microsoft-Patente verletzten würde. Gesagt, welche das wären, oder dagegen etwas getan hat Microsoft aber nie. Wird es nicht langsam zu spät dafür?

Viel diskutiert und erklärt bei Mozilla

Da Mozilla einerseits eine Verantwortung gegenüber seinen Nutzern hat, ihnen das bestmögliche Interneterlebnis zu bieten, andererseits Mozilla aber in seinen Statuten festgelegt hat, dass die Förderung und Verteidigung eines freien Internets allen anderen Interessen voransteht, müssen die Mozilla-Verantwortlichen und wichtige Gecko-Entwickler erklären, wieso sie handeln, wie sie handeln, und sie verteidigen sich gegen Anschuldigungen. Hier auszugsweise einige Verweise:

Warum der Video-Codec in den Browser soll

  • Nicht alle Betriebssysteme haben den Codec installiert (z.B. Windows XP-Nutzer gehen leer aus) oder haben den selben Codec installiert.
  • Sicherheitslücken können am schnellsten geschlossen werden, wenn sie die Browserhersteller selbst schließen und nicht warten müssen, bis sich die Nutzer dazu bequemen, auch ihre Codecs zu aktualisieren (was z.B. unter Windows nicht automatisiert passiert).

Warum Ogg/Theora (oder ein anderer lizenz- und patentfreier Videocodec) die einzig richtige Wahl für Mozilla ist

  • Mike Shaver hat es vor einem Jahr in seinem Blog so formuliert: Our commitment to the success of open video on the web requires that we select codecs for Firefox that are usable by everyone, without restriction or licensing fee. To that end, we’ve chosen Theora as the format for Firefox 3.5.
  • Mozilla wird nicht (freiwillig) für H.264 Lizenzgebühren zahlen, auch wenn es theoretisch leistbar wäre. Denn auch wenn die offiziellen Firefox-Versionen damit „geschützt“ wären, wären es nicht die Ersteller von Videos oder Produkte, die von Firefox/Gecko abgeleitet sind, oder Linux-Distributionen.
  • H.264 ist nicht wirklich kostenlos für jeden. Irgend jemand in der Kette vom Videosoftwarehersteller und Browserhersteller bis hinunter zum Videoersteller und Endbenutzer muss Lizenzgebühren zahlen. Siehe Robert O’Callahans Kommentar H.264 Licensing And Free Software.
  • Es existieren bereits Implementierungen von H.264 in freier Software. Aber die befinden sich gesetzlich gesehen in einer Grauzone und sind für Mozilla (und andere Firmen/Organisationen) nicht verwendbar.
  • Auch Videoinhalte sollen wie HTML, CSS und JavaScript frei von jeglichen Lizenzen und Patenten sein, damit jeder Mensch ohne Einschränkung vom Web profitieren und daran teilnehmen kann. Wäre denn das Web heute so frei und vielfältig, wie es ist, wenn z.B. HTML lizenzpflichtig gewesen wäre? Christopher Blizzard hat dazu gesagt: You must be able to implement and deliver that technology without requiring anyone’s permission or license. In reality this means that it should be available on a royalty-free basis and without encumbered documentation. … In the video world, there are some formats that fit the first quality: Some formats are documented, understood and even widely deployed. But more often than not they are subject to to per-unit royalties, large up-front fees and creating content in those formats (the encoders) are often so expensive as to be prohibitive to all but only the deepestpocketed corporations or well-funded startups. And there are very few video formats that meet the second. This is not the kind of decentralization that made the web thrive. It is quite the opposite. … In Firefox 3.5 we’re including support for the OGG container format with the Theora video and Vorbis audio codecs for the <video> element. They represent one of the few combinations of formats that fits both the criteria above. They aren’t perfect formats, but they are certainly good enough for how video is used on the web today. And they are improving with time. … We hope that by releasing video from the plugin prison and letting it play nice with others we’ll be able to open up a new wave of creativity around video.
  • Theora erfüllt die Anforderungen der Lizenzbestimmungen des W3C. (Genaueres dazu im dritten Absatz von hjas Blog.)
  • Flash ist auch proprietär, was spricht dann gegen H.264? Antwort: Flash ist nicht im Browser integriert und stellte bis jetzt die einzige Möglichkeit dar, gewisse Effekte und Videos im Web darzustellen. Mit HTML5 ändert sich das (Video-Element, Canvas, SVG, SMIL …). In Zukunft soll es besser laufen als bisher und man sollte die Abhängigkeit zu einem geschlossenen Format nicht auch noch für die Zukunft fest zementieren. Noch dazu ist Flash einer der Hauptgründe für Browserabstürze und Sicherheitslücken, die lange nicht geschlossen werden. Im Browser integrierte Komponenten können besser kontrolliert und abgesichert sowie Probleme schneller behoben werden.
  • Was ist mit den Nachfolgern von H.264? Werden die auch so „günstig“ sein? Man macht sich ja mit dem Codec nicht nur für die derzeitige Version abhängig, sondern auch für alle künftigen Versionen.

Meinung

Was ist eure Meinung zu dem Thema? Habt ihr weitere Argumente für und wider Ogg/Theora bzw. H.264?

Nachtrag 2010-02-18

Ruft mal die Seite http://translate.google.de/?hl=&ie=UTF-8&sl=en&tl=de#en|de|Why doesn’t Youtube HTML5 support Firefox? (dt.: Warum Untersetützt HTML5-Youtube nicht Firefox?) auf und seht euch die Übersetzung an. Google erlaubt sich dreiste Spielchen. ;-)

3 Kommentare

  • 1. textamoebe schrieb am 18th März 2010 um 01:30 :

    Danke für den Artikel und die weiterführenden Links!

  • 2. seaman schrieb am 18th März 2010 um 11:13 :

    Hallo,

    die folgende Aussage ist nicht ganz richtig:

    „Übrigens: Auch Chromium-Nutzer sind dort ausgeschlossen!“

    Ich nutze Ubuntu 9.10 und kann mir mit Chromium problemlos HTML5-Videos auf YouTube anschauen.

  • 3. Thomas S schrieb am 18th März 2010 um 20:25 :

    Hallo seaman. Das ist mir neu. Hab gelesen, wegen der Lizenzgeschichte hat Google den betreffenden Code entfernt. Muss da nochmal nachforschen. Danke für deinen Kommentar.

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